1706 haben die Ochsenwanger Bauern ihr Kirchlein in Eigenarbeit errichtet. Zuvor mussten sie für den sonntäglichen Kirchgang, im heißen Sommer wie im schneereichen Winter wenn die Wege vereist waren, den Weg nach dem rund 400 m tiefer gelegenen Bissingen nehmen. Das kam die Alten und die Jungen gleichermaßen hart an. Denn auch für Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen musste man hinunter –
und wieder hinauf!
Etwa hundert Jahre später wurde das Kirchlein durch eine Orgel von Orgelbauer Gruol aus Bissingen und eine Empore ergänzt. Der Orgelprospekt blieb bis heute erhalten.
1832 und 1833 predigte der damalige Pfarrverweser Eduard Mörike hier!
Das hiesige Kirchlein mußt Du sehen...reinlich und rührend
klein, wie von Kinderhänden aufgestutzt. Ich brauche nur
gelassen zu reden, so heißt das schon die Stimme erhoben.
...Beim Anblick des Kirchturms muss ich immer lächeln;
...denn auch die 4 Läden sind akkurat so wie die, aus
denenwir als Orplids-Wächter zu allen Stunden der lauen
Tübinger Sommernächte herausgeguckt haben.
Eduard Mörike, Januar 1832
Mörikes Vikariats-Zeugnisse auf Georgii 1832
und auf Martini 1833:
Seine Predigten werden von der Gemeinde gerne gehört,
es ist bis jetzt keine Klage gegen ihn vorgekommen
und hat auch in der Umgegend einen guten Ruf.
Er besitzt außer seinem Berufsfache auch eine aesthe-
tische Bildung von hohem Grade. Seine Vorträge – die
er vor sich liegen zu hab en scheint – sind durchdacht,
verrathen richtigen psychologischen Blick – die Sprache
ist edel – die körperliche Haltung frei – und Ernst und
Leben verbinden sich mit guter Declamation, die durch
Männlichen Ton gehoben wird. Er ist pünktlich in seinen
kirchlichen Geschäften, und die Gemeinde ist mit ihm
zufrieden. Er wandelt untadelhaft, und kleidet sich
anständig.
Eine Orgelpfeife aus der Gruol-Orgel blieb erhalten und ist im Museum zu sehen. Sie wurde von Eduard Mörike signiert mit Datum vom 17. September 1833, wenige Wochen bevor er Ochsenwang wieder verlassen hat. Erst beim Ausbau der ersten Orgel in den 1920er Jahren wurde dieses kaum sichtbare Signum entdeckt.
Die Evangelische Kirchengemeinde Ochsenwang, seit Ende 2020 Evangelische Kirchengemeinde
Bissingen-Ochsenwang, ist Träger des Mörike-Museums seit 1981 und zuständig für die Albgemeinde.
Für die allsonntägliche Predigt wird Pfarrern aus dem Umkreis mehrfach im Jahr einen Doppeldienst
auferlegt, der sie nach Ochsenwang verpflichtet, wo sie immer willkommen sind.
Zwischen 1830 und Ende 2001 wurde die Stelle in Ochsenwang durch die Evangelische Landeskirche als „ständige Pfarrverweserei“ geführt. Aber die Pfarrverweser waren nicht immer am Ort. Meist wurde die Gemeinde von den Pfarrern umliegender Orte mit betreut, manchmal auf der gleichen Alb-Höhe (Schopfloch), häufiger jedoch vom Tal aus (Bissingen, Hepsisau).
Pfarrverweser - in Ochsenwang:
In Ochsenwang bestand bis 1822 kein eigenes Pfarramt. Die Gemeinde war kirchlich als Filial mit Bissingen verbunden. Um diesem für beide Teile misslichen Umstand abzuhelfen, wurde 1822 durch königliches Dekret eine sogenannte Pfarrverweserei errichtet. Ochsenwang bekam dadurch einen eigenen Seelsorger, der im Ort wohnen konnte.
Die Stelle wurde mit Geistlichen im unständigen Kirchendienst besetzt, in der Regel mit Pfarrvikaren, die eine gewisse Vorbereitungszeit zur Einübung in den praktischen Kirchendienst zu durchlaufen haben. Im Unterschied zu denjenigen Vikaren, die einem Pfarrer als Gehilfen zur Seite gestellt sind, versehen die Pfarrverweser selbständig alle Aufgaben eines Pfarramtes in vollem Umfang. Vikare und Pfarrverweser können jederzeit auf eine andere Stelle versetzt werden.
In Ochsenwang amtierten allein zwischen 1830 und 1840 fünf Pfarrverweser, darunter Eduard Mörike. Ihr unmittelbarer Vorgesetzte war der Dekan von Kirchheim. An diesen hatten sie jährlich Bericht über den Zustand ihrer Gemeindeeinzusenden, den 'Pfarrbericht'.
Gottes Geist begleite die Verkündigung des ewigen
Wortes in dieser unserer Kirche, und lasse uns ferner
Weisheit Kraft Besserung Trost und Erquickung hier
finden.
Eduard Mörike, Neujahr 1833