MÖRIKEHAUS Ochsenwang
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...So ist mir denn um und um wohl.
Wenn auf dem Felsen irgendwo ein Kräutlein wüchse,
assiduitas in laborando genannt,
so wollt ich danach suchen
und ein gesegneter Schriftsteller werden.

Eduard Mörike, Februar 1832

 

 

 

 

Zum Neuen Jahr

 

Wie heimlicher Weise

Ein Engelein leise

Mit rosigen Füßen

Die Erde betritt,

So nahte der Morgen.

Jauchzt ihm, Ihr Frommen,

Ein heilig Willkommen,

Ein heilig Willkomen!

Herz, jauchze du mit!

 

In ihm sei’s begonnen, 

Der Monde und Sonnen

An blauen Gezelten

des Himmels bewegt.

Du, Vater, du rate!

Lenke du und wende!

Herr, dir in die Hände

Sei Anfang und Ende,

Sei alles gelegt!

Ende 1832

 

 

 

Verborgenheit

 

Laß, o Welt, o laß mich sein!

Locket nicht mit Liebesgaben,

Laßt dies Herz alleine haben

Seine Wonne, seine Pein.

  

Was ich traure weiß ich nicht,

Es ist unbekanntes Wehe;

Immerdar durch Tränen sehe 

Ich der Sonne liebes Licht.

 

Oft bin ich mir kaum bewusst,

Und die helle Freude zücket

Durch die Schwere, so mich drücket

Wonniglich in meiner Brust.

 

Laß, o Welt, o laß mich sein!

Locket nicht mit Liebesgaben,

Laßt dies Herz alleine haben

Seine Wonne, seine Pein!

1832

 

 

 

 

 

Mausefallen-Sprüchlein

Das Kind geht dreimal um die Falle und spricht:

 

 Kleine Gäste, kleines Haus. Liebe Mäusin, oder Maus,
Stell dich nur kecklich ein heut Nacht bei Mondenschein!
Mach aber die Tür fein hinter dir zu, hörst du?
Dabei hüte dein Schwänzchen!
Nach Tische singen wir, nach Tische springen wir
Und machen ein Tänzchen!
Witt witt! Meine alte Katze tanzt wahrscheinlich mit!

1832

 

 

Im Frühling

Hier lieg' ich auf dem Frühlingshügel:
Die Wolke wird mein Flügel,
Ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag' mir, alleinzige Liebe,
Wo  d u  bleibst, dass ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus.

Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüte offen,
Sehnend,
Sich dehnend
In Liebe und Hoffen.
Frühling, was bist du gewillt?
Wann werd ich gestillt?

Die Wolke seh ich wandeln und den Fluss,
Es dringt der Sonne goldner Kuss
Mir tief bis ins Geblüt hinein;
Die Augen, wunderbar berauschet,
Tun, als schliefen sie ein,
Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.

Ich denke dies und denke das,
Ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was:
Halb ist es Lust, halb ist es Klage;
Mein Herz, o sage,
Was webst du für Erinnerung
In golden grüner Zweige Dämmerung?
- Alte unnennbare Tage!
1828, Erstdruck 1832

 

 

 

Am Walde

 

Am Waldsaum kann ich lange Nachmittage,

Dem Kuckuck horchend, in dem Grase liegen;

Er scheint das Tal gemächlich einzuwiegen

Im friedevollen Gleichklang seiner Klage.

 

Da ist mir wohl, und meine schlimmste Plage,

Den Fratzen der Gesellschaft mich zu fügen,

Hier wird sie mich doch endlich nicht bekriegen,

wo ich auf eigne Weise mich behage.

 

Und wenn die feinen Leute nur erst dächten,

Wie schön Poeten ihre Zeit verschwenden,

Sie würden mich zuletzt noch gar beneiden.

 

Denn des Sonetts gedrängte Kränze flechten

Sich wie von selber unter meinen Händen,

Indes die Augen in der Ferne weiden.